Wie sehr lieben wir unsere Kinder?

Die von Andrea und Veit ausgerufenen Ich liebe Dich-Wochen nehme ich zum Anlass über ein Thema zu schreiben, dass mich seit Jahren immer wieder sehr intensiv  beschäftigt und berührt: Wie mache ich die Liebe, die ich für mein Kind empfinde, für mein Kind spürbar? Jesper Juul nennt es „von liebevollen Gefühlen zu liebevollen Handlungen, d.h. solche Handlungen zu setzen, die der Andere auch als liebevoll empfindet.“

Eltern lieben aus ganzem Herzen

Ich behaupte, dass die meisten Eltern ihre Kinder aus ganzem Herzen lieben, aber ich weiß aus unzähligen Gesprächen mit Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen, dass sie diese Liebe oft nicht spüren können bzw. konnten, weil es nicht die Art von Liebe ist/war, die sie gerade brauchen würden bzw. gebraucht hätten.

Da gibt es beispielsweise eine junge 16 Jährige, die, um die Anerkennung, den Respekt und vor allem die Liebe ihres Vaters zu spüren, ihm im Garten hilft, obwohl das bei weitem nicht ihre Lieblingsbeschäftigung ist. Sie erzählt, dass sie so gerne hätte, dass er sie einfach nur anschaut, sie anlächelt und danke sagt. Und: „Am schönsten wäre es gewesen, wenn er mich einfach nur in den Arm genommen hätte, und mich spüren hätte lassen, dass ich ihm eine Freude gemacht habe.“, berichtet sie unter Tränen. Stattdessen gab er ihr Geld, damit sie sich ihr neues Handy, das sie sich wünscht, kaufen kann. „Weißt du, ich weiß schon, dass er mich liebt. Er kann mir seine Liebe einfach nicht anders zeigen, weil er es selbst nie gelernt hat. Aber ich will es nicht WISSEN, ich will es SPÜREN können.“

Diese und unzählige andere Beispiele höre ich immer wieder sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen. Auch wenn ich an meine eigene Kindheit denke, spüre ich – auch heute noch – das Gefühl, dass ich in vielen Situationen andere Handlungen meiner Eltern gebraucht hätte, als ich bekommen habe. Ich habe fast immer GEWUSST, dass meine Eltern mich lieben, aber ich habe es viele Male aufgrund ihrer Handlungen nicht SPÜREN können, weil ihre Handlungen nicht meine Bedürfnisse erfüllt haben. Und Kinder spüren ganz genau, was sie brauchen, welche Bedürfnisse sie haben. Wenn allerdings Erwachsene in ihren eigenen, von den Eltern erlernten Verhaltensmustern bleiben, können sie die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht erfüllen. Sie handeln in voller Liebe und mit bester Absicht aber am Kind vorbei. Und das macht beide Seiten zu tiefst traurig.

Eine gute Beziehung und Haltung der Eltern

Was braucht es also, damit unsere Kinder unsere Liebe auch spüren können? Es braucht eine gute Beziehung und die Haltung der Eltern, herauszufinden zu wollen, was ihre Kinder als liebevoll empfinden. Und wie mache ich das? Na ganz einfach: Ich muss meine Kinder fragen, muss mit ihnen in Beziehung, in gegenseitigem Vertrauen sein, muss mich empathisch auf sie einlassen wollen, ohne wenn und aber.

Ich erlebe viele Eltern, die der Meinung sind, dass sie genau wissen, was ihre Kinder brauchen, weil sie die Erwachsenen sind und ihre Kinder lieben. Das beginnt bei der Wahl des Schultyps und endet in der genauen Vorstellung davon, was aus dem Kind einmal werden soll. Und das alles sehr oft ohne Einbeziehung des Betroffenen, nämlich des Kindes selbst.

Und dann sitzen Kinder in Schulen, auf die sie eigentlich nicht gehen wollen, üben Sportarten aus, die ihnen keinen Spaß machen, lernen Sprachen, die ihnen nicht liegen; und warum? Weil Eltern zu wissen glauben, was ihr Kind braucht, was ihm gut tut und das Ganze ohne WIRKLICHE Kommunikation mit dem Kind. Was meine ich mit WIRKLICHER Kommunikation? Gemeint ist ein Dialog, das heißt, dass ich mich mit meinem Kind zusammensetze und es frage, was es denn eigentlich will, ohne wenn und aber. Denn sobald ich sage, ich verstehe was du willst, ABER…., dann habe ich NICHTS verstanden, bzw. mein Kind fühlt sich im Normalfall nicht verstanden und ernst genommen.

Die Lösung liegt im Detail

Lösungen muss jeder für sich selbst finden. Das ist in der Beratung eine goldene Regel. Ich kann nicht wissen, was das Beste für jemanden anderen und auch nicht für mein Kind ist. Kinder sind unglaublich kompetent, das heißt sie spüren ganz genau, was ihnen gut tut und was nicht. Aber es fehlt ihnen NOCH an Erfahrungen, aber diese müssen sie machen dürfen. Eltern müssen ihren Kindern erlauben, eigene Erfahrungen machen zu dürfen. Dazu gehört es auch, Fehler zu machen, Fehlentscheidungen zu treffen, zu scheitern. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Und dann braucht es Eltern, die einfach für sie da sind und sie festhalten OHNE zu sagen „Weil du nicht auf mich gehört hast.“

Warum fällt das so vielen Erwachsenen so schwer? Ich behaupte, weil wir es schwer aushalten, unsere Kinder leiden zu sehen.

Als unsere Tochter sich auf eine für sie sehr wichtige Prüfung vorbereitete, hatte ich das Gefühl, dass sie zu wenig lernen würde. Ich habe es kaum ausgehalten, wenn sie wieder einmal nicht gelernt hat. Und dann habe ich mich einmal – trotz sämtlichen erworbenen Wissens – sagen hören: „Bitte lern endlich, damit du nicht durchfällst, denn sonst bist du so traurig und das halte ich nur schwer aus.“ Ihr Kommentar: „Wie egoistisch ist denn das? Es geht hier wohl nur um mich und meine Erfahrungen. Und wenn ich auf die Nase falle, brauche ich keine Mami die mir sagt: ich hab’s dir ja gesagt, sondern eine die mich in den Arm nimmt und tröstet.“

Ohne Licht kein Schatten

Ja, es tut weh, wenn wir sehen, dass unsere Kinder Erfahrungen machen, die wir ihnen so gerne ersparen würden. Aber nur durch persönliche Erlebnisse können sie reifen. Kinder müssen spüren dürfen, dass auch Schmerz zum Leben dazu gehört. Das Leben tut manchmal weh. Eltern lassen sich scheiden, Freundschaften zerbrechen, Schulnoten fallen schlecht aus, der erste Liebeskummer, … Ja, das gehört auch zum Leben dazu. Ohne Licht kein Schatten. Und ja, es tut weh, sein Kind leiden zu sehen. Aber wir können Kinder dabei unterstützen, dass sie wieder aufstehen und gestärkt aus einer Krise hervorgehen. Aber dafür brauchen sie Eltern,  die sie spüren lassen, dass sie gut sind, so wie sie sind, die ihnen Vertrauen, damit ihr Selbstwert und ihr Selbstvertrauen wachsen kann, damit sie sich als selbstwirksam und nicht als Opfer erleben. Denn Kinder, die diese liebevollen Erfahrungen in ihren Familien machen durften, können sich dann zu glücklichen Erwachsenen entwickeln, die wissen, was sie wollen, die Verantwortung für sich selbst und Andere übernehmen, und die sich selbst und ihren eigenen Gefühlen vertrauen, um das Leben zu leben, das für SIE und nicht für ANDERE richtig ist.

Wenn ich bei Eltern dann ein JA, ABER höre: nämlich dass z.B. ein Jugendlicher aufgrund seiner wenigen Erfahrungen ja noch nicht wissen kann, was er später im Berufsleben einmal brauchen wird, dann frage ich die Eltern: „Und woher können denn Sie wissen, was ihr Kind einmal brauchen wird?“ In einer Zeit, die so schnelllebig ist, wie die unsere, können wir gar nicht voraussehen, was Kinder an Wissen einmal brauchen werden. Viele der zukünftigen Berufsbilder gibt es noch gar nicht. Also kann ich meinem Kind doch nur das mitgeben, was es einmal durch Unsicherheit, Krisen, … tragen wird: nämlich das Gefühl, „richtig“ zu sein, das Vertrauen, dass es Krisen bewältigen wird und meine Zusicherung, dass ich da sein werde, wenn es schief gehen sollte.

Eine berührende Geschichte zum Schluss

Und zum Abschluss möchte ich euch noch die sehr berührende Geschichte einer jungen Frau erzählen, die Eltern hatte, die ihr das Gefühl gegeben haben, gut zu sein, so wie sie ist, und die daher mit unerschütterlicher Selbstliebe zu sich selbst stehen kann, insbesondere auch dann, wenn sie Fehler gemacht hat. „Ich kann mich an eine Szene erinnern, als mein Vater, der immer blütenweiße Hemden in der Arbeit trug, eines Tages nach Hause kam, als ich gerade im Garten Kirschen pflückte.  Mit schmutzigen Händen lief ich auf meinen Vater zu und schenkte ihm ein besonders schönes Kirschenpaar, das ich ihm in seine Brusttasche steckte. Um sicherzugehen, dass die Kirschen auch nicht rausfallen, habe ich mit der Hand nochmals drauf geklopft. Und dadurch zerplatzen die reifen Kirschen und das blütenweiße Hemd meines Vaters war über und über mit Kirschsaft bedeckt. Für einen kurzen Moment verzog mein Vater sein Gesicht. Ich schaute ihn sehr schuldbewusst an. Und in dieser Sekunde begann er zu lächeln und sagte: `Ach, das ist doch völlig unwichtig. Wichtig ist doch nur, dass du mir eine Freude machen und mir etwas Besonderes schenken wolltest. Das Hemd wird sicher wieder sauber.`“ Diese Grundhaltung ihrer Eltern, das Positive hinter den Handlungen ihres Kindes zu sehen, prägte ihre gesamte Kindheit, da sie ihre Eltern immer wieder auch durch ihre Handlungen spüren ließen, dass sie geliebt wird, so wie sie ist.

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